Prof. Dr. Klaus Becker
ehem. Klinikum Krefeld
Die Leber ist ein Speicherorgan und das zentrale
Stoffwechselorgan unseres Körpers. Zu ihren vielen Aufgaben
gehören die Umwandlung von Kohlenhydraten und Eiweiß
in Fett, die Bildung von Transporteiweißkörpern für
Fette, die es ermöglichen, dass wasserunlösliche Fette
im Blut transportiert werden können, und die Speicherung
von Stoffen, u.a. bei einem Überangebot auch von Fett.
Kohlenhydrate und
aus bei der Verdauung aus Eiweißen freigesetzte Aminosäuren
und Alkohol werden aus dem Darm resorbiert und über die
Pfortader direkt der Leber zugeführt.
Alkohol hat bei dem Abbau in der Leber eine bevorzugte Stellung,
d.h. selbst bei einer schwer geschädigten Leber wird Alkohol
mit normaler Geschwindigkeit abgebaut.
Der Alkohol ist aber auch sehr kalorienreich. Die Leber kann
bei einem großen Angebot gar nicht die freigesetzten Energiemengen
abtransportieren lassen, sie muss sie in irgendeiner Form zwischenspeichern.
Die Umwandlung in Fett geschieht.
Dieses Fett wird in den Leberzellen abgelagert, zunächst
tropfenförmig, dann die ganze Zelle ausfüllend. Bei
einer voll ausgebildeten Fettleber ähnelt das Bild der
Leber unter dem Mikroskop Fettgewebe.
Unter der Last der Fetteinlagerung können einzelne Leberzellen
zusammenbrechen. Sie sterben ab, dieses löst eine Entzündung
in der Umgebung aus, es entsteht eine Fettleberhepatitis. Schreitet
diese weiter fort, so kann sich aus der Fettleberhepatitis eine
Leberzirrhose entwickeln.
Lange war man der Meinung, dass dieses Fortschreiten einer
Fettleber zur Fettleberhepatitis und zur Zirrhose nur bei einem
Alkoholmissbrauch geschieht. Nach dieser überholten Lehrmeinung
sollte beispielsweise eine Fettleber bei Diabetes nicht zur
Fettleberhepatitis sich entwickeln können. Wir wissen aber
aus Beobachtungen aus armen Ländern schon lange, dass durch
Fehlernährung sich auch eine Fettleberhepatitis entwickeln
kann. Beispiele hierfür sind die Indian childhood disease
in Indien und das Kwashiorkor in Afrika.
Da also nicht nur Alkohol, sondern auch Über- und Fehlernährungen
eine Fettleberhepatitis auslösen können, es aber für
eine Behandlung wichtig ist, nach der Ursache zu unterscheiden,
sprechen wir heute auch von ASH (alkoholische Steatohepatitis)
und NASH (nicht-alkoholische Steatohepatitis) (Steatosis hepatis
= Fettleber, Steatohepatitis = Fettleberhepatitis).
Bei ASH interessiert,
wie viel Alkohol eine gesunde Leber bei sonst normaler Ernähung
pro Tag noch vertragen kann, bevor es zu einer ASH kommt.
Früher wurden gerne die Zahlen von Péquignot genannt,
der systematisch in Frankreich Untersuchungen zu dieser Frage
bei Alkoholikern mit und ohne Leberschaden durchführte.
Er kam zur Schlussfolgerung, dass bis zu 80 g Alkohol pro Tag
noch unschädlich seien. Rechnen Sie bitte die Menge Alkohol
in einer Flasche Wein mit 750 ml Inhalt und einem Alkoholgehalt
von 12 % aus.
Wir wissen aber, dass die Zahlen von Péquignot viel zu
hoch sind. Bei Männern liegt diese Toleranzgrenze knapp
unter der Hälfte seiner Angaben, bei Frauen noch weit darunter.
Frauen "vertragen" in Bezug auf die Leber nur die
Hälfte der Alkoholmenge, die Männer noch vertragen.
Wenn Alkohol aber nicht die Ursache für eine Fettleber
ist, welches sind dann die Ursachen für eine NASH?
- Starke Adipositas (erhebliches Übergewicht)
- Diabetes mellitus (bevorzugt Typ II)
- Jejunoilealer Bypass (Ausschaltung von Dünndarmschlingen
früher zur Behandlung bei extremer Adipositas ausgeführt)
- Blind- loop-syndrom (Ausschluss einer Darmschlinge, so dass
sich ein Blindsack ausbildet, der durch Bakterien fehlbesiedelt
werden kann)
- Total parenterale Ernährung (künstliche Ernährung
über einen venösen Verweilkatheter. Die Nährlösungen
sind besonders kohlenhydratreich oder enthalten reichlich
Zuckeralkohole)
- Langdauernde Behandlung mit bestimmten Medikamenten (Cortison
in hoher Dosierung, Amiodarone, Tamoxifen, Tetrazykline u.a.)
Eine besondere Bedeutung
kommt dem sog. metabolischen Syndrom zu. Hierunter versteht
man eine Kombination von Übergewichtigkeit, zu hohem Blutdruck,
Vermehrung der Blutfette (sowohl Cholesterin als auch Neutralfette
(Triglyzeride)), Diabetes mellitus (Typ II). Das metabolische
Syndrom ist gekennzeichnet durch die Gefährdung durch Herzinfarkte
und andere arterielle Gefäßerkrankungen (Schrumpfniere,
Schlaganfall).
Und bei einem metabolischen Syndrom sehen wir auch häufig
eine NASH.
Welche Beschwerden
lösen ASH und NASH aus:
Beschwerden können fehlen oder uncharakteristisch und gering
sein: Völlegefühl im Bauch, leichter Druck im rechten
Oberbauch, Inappetenz, Abneigung gegen blähende oder zu
fette Speisen, leichte Ermüdbarkeit, Nachlassen der Leistungsfähigkeit.
Wie wird die Diagnose
gestellt:
Wichtige Hinweise ergibt die körperliche Untersuchung.
Die Leber ist als vergrößert zu tasten, zumeist auch
leicht druckempfindlich.
Weiter führt dann die Ultraschalluntersuchung: Sie zeigt
eine "helle Leber", d.h. eine Vermehrung der Binnenreflexe
der Leber. Im Stadium der Hepatitis sehen wir eine gleichmäßige
"Aufhellung" des Bildes, erst später, wenn sich
eine Leberzirrhose entwickelt hat, kann das Binnenecho der Leber
unregelmäßig sein.
Bei den Laboruntersuchungen müssen andere Lebererkrankungen
ausgeschlossen werden: Chronische Virushepatitiden, M. Wilson,
Hämochromatose u.a. Im Blut sind die Transaminasen bei
Steatohepatitis leicht erhöht. Bei ASH überragt die
Erhöhung der SGOT diejenige der SGPT, bei NASH ist es meist
umgekehrt. Die gamma-GT ist bei ASH besonders stark erhöht
Es muss aber deutlich festgestellt werden, dass die Laboruntersuchungen
nur Hinweise auf eine ASH und NASH geben können. Ein eindeutiger
Beweis kann durch eine Leberpunktion erbracht werden.
Warum sollen ASH
und NASH behandelt werden:
Die Antwort ist klar. Es kann sich eine Leberzirrhose entwickeln,
die, wenn sie einmal eingetreten ist, nicht mehr rückbildungsfähig
ist, sondern bestenfalls in ihrem Fortschreiten verlangsamt
werden kann.
Die Therapie ist bei ASH im Prinzip eindeutig: Es ist absolute
Enthaltsamkeit bei Alkohol notwendig. Zusätzlich Vitamine,
insbesondere Folsäure, können gegeben werden, sind
aber letztlich bei eindeutiger Alkoholkarenz und normaler Ernährung
nicht notwendig.
Bei der Behandlung der NASH steht die Ernährung ganz im
Vordergrund. Sie soll ausgewogen sein, d.h. wenig Fett, reichlich
Eiweiß, mäßig Kohlenhydrate, viel Obst und
Gemüse enthalten. Bei den Kohlenhydraten sind leicht resorbierbare
Süßigkeiten zu meiden.
Ernährungsempfehlungen bei NASH (auch anwendbar bei ASH)
- Brot und Backwaren: Brötchen, Knäckebrot, Weizenvollkornbrot.
Nicht empfohlen: frisches Brot, Sahnetorten, Fettgebackenes
- Fette: Pflanzenmargarine und Öle, wenig Butter
- Fisch: fettarme Sorten; nicht Aal, Hering, Makrele, Ölsardinen.
- Fleisch: mager, Huhn, Rind, magerer Schinken; nicht Speck,
Paniertes oder scharf Gebratenes.
- Gemüse: Karotten, Brokkoli, Spargel, Fenchel, Spinat,
Tomaten; nicht Zwiebel, weniger Hülsenfrüchte
- Milch: fettarm
- Kartoffeln: Püree, nicht Pommes, Bratkartoffeln
- Obst: reichlich!
Prinzipiell ist die Behandlung einer NASH schwieriger als die
einer ASH. Letztlich ist oft gar nicht ganz eindeutig, welches
die Ursache ist. Liegt nicht zusätzlich doch ein Alkoholmissbrauch
vor. Welche Bedeutung haben im Einzelfall genetische, damit
nicht beeinflussbare Faktoren?
Neben den genannten
allgemeinen Ernährungsempfehlungen, die letztlich auch
für eine ASH gelten, bleibt die Behandlung beschränkt
auf die Begleitsymptome:
Optimale Betreuung des Diabetes mellitus, medikamentöse
Therapie gegen die erhöhten Blutfette, insbesondere gegen
den Gefäßrisikofaktor Cholesterin, Kontrolle des
erhöhten Blutdruckes. Das Gewicht muss unbedingt reduziert
werden. Die Ernährung soll aber nicht nur kalorienreduziert
sein, sie muss auch ausgewogen bleiben.
Die Bedeutung einer weiteren (also nicht nur gegen Blutfette
und Hochdruck gerichteten) medikamentösen Therapie ist
umstritten. Die meisten Fachleute sind der Ansicht, dass die
Gabe von früher gerne so bezeichneten "Leberschutzpräparaten",
etwa Orotsäurehaltigen Präparaten, Vitaminpräparaten,
S-Adenosylmethionin, nicht notwenig ist. Diese medikamentöse
Zusatztherapie kann zwar nicht direkt schaden, lenkt aber oft
ab von der Erkenntnis, dass eine Regulierung der Lebensweise
und eine "vernünftige Ernährung" das A und
O jeder Behandlung sind.
Dass ASH häufig fortschreitet zur Leberzirrhose ist unbestritten.
Dass NASH fortschreitet zur Leberzirrhose ist heute ebenfalls
unbestritten, wie oft das aber geschieht, ist dann doch schwer
zu beurteilen.
Zusammenfassung:
Der Wohlstand führt zu einer Erhöhung des Alkoholkonsums,
zu einer Überernährung, oft verbunden mit Fehlernährung,
d.h. das Verhältnis der einzelnen Nahrungsbestandteile
zu einander: Fett, Kohlenhydrate und Eiweißkörper
ist unausgeglichen. Ein Vitaminmangel kann hinzukommen, genau
so wie Mangel an Bewegung. Ein Beispiel für eine unausgewogene
Ernährung wäre der reichliche Genuss von Coca-Cola
mit Schokoladenriegeln.
Alkohol und Fehl-
und Überernährung begünstigen die Entwicklung
einer Fettleberhepatitis (ASH und NASH), aus der sich eine Leberzirrhose
entwickeln kann. Daher ist die frühzeitige Diagnose, die
Erkennung der Ursachen, Beseitigung derselben und bei NASH die
optimale Therapie der Begleitkrankheiten wichtig. Die Ernährung
ist von herausragender Bedeutung. Sie sollte fettarm, kohlenhydratbeschränkt,
Eiweißreich sein. Ballast, Gemüse und Obst sind wichtig.
Prof. Dr. Klaus Becker
ehem. Klinikum Krefeld
|